Lioba Reckfort Autorin, Regisseurin und Theaterpädagogin

Kommerz `89

Eine theatrale Zeitreise durch den Wedding

 
Dieses Jahr ist es nun 20 Jahre her. Die Mauer fiel und der Jubel war groß. Doch was kam danach? Das Theaterstück Kommerz ´89 - Eine theaterale Zeitreise durch den Wedding startet kurz nach der Wende in einem kleinen Entrümplungsladen, in dem mit der Westmark Geschäfte gemacht wird. Kurz darauf lernen wir die Glücklichen Arbeitslosen des Weddings kennen, um schließlich zur Selbstständigkeit unter jeder Bedingung anzuregen. Die Zeitreise endet im Hier und Jetzt in einer Kiezkneipe im Wedding, wo Schauspieler aus den wahren Lebensläufen von Kiezbewohnern aus dem Weddinger - Sprengelkiez berichten.
 

1990    Die Ostmarktanten kommen!

Kaum fiel die Mauer, schwankten die Wechselkurse für West zu Ostmark auf dem Schwarzmarkt. In der Übergangszeit ergab eine Westmark bis zu zehn Ostmark. Am 1. Juli 1990 wurde die Ostmark von der Westmark als gesetzliches Zahlungsmittel abgelöst. Für Privatpersonen aus dem Osten gab es Sonderreglungen. 4000 Ostmark konnten 1:1 getauscht werden, wenn sie auf einem Ostkonto verbucht waren. Stichtag war der Tag der Währungsunion, der 1. Juli 1990. Unsere Geschichte spielt kurz vor der Währungsunion, eine Zeit in der man sich gerne an seine Ostverwandten zurückerinnerte.

? 1997    Die Glücklichen Arbeitslosen

Nach der Wende wanderten viele Firmen ins Ausland ab, da es dort billigere Arbeitskräfte gab. Die Arbeitslosigkeit griff um sich, die für viele einen schweren Einschnitt in ihr Leben bedeutete. 1997 tauchten plötzlich die Glücklichen Arbeitslosen auf. Sie sind keine Partei, auch keine organisierte Gruppe, sie sehen sich als Bewegung.
 
Sie forderten:
Die gesellschaftliche Akzeptanz der glücklichen Arbeitslosen.
Das Schaffen eines artgerechten sozialen Umfelds.
Die Anhäufung von Angelegenheiten, bei denen sich glückliche Arbeitslose entdecken und treffen können.
Das Experimentieren mit "unklaren Ressourcen", um der Diktatur der Lohnabhängigkeit in die Flanke zu fallen.
Die Umrisse einer neuen Lebensphilosophie, die die alte abendländische Moral des Unglücks, bzw. die Ökonomie, vollständig vernichten wird. 
 
In unserer Geschichte sind wir noch am Anfang dieser Bewegung. Zwei glückliche Arbeitslose sitzen beim Bäcker und vertreiben sich die Zeit. Sind sie wirklich glücklich? Oder sind sie auf dem Besten Weg dorthin? Das Glück greift um sich.
 

2006    Das erste Freiluft-Callcenter 

Wer kennt sie nicht, die Ich -AG, das Einzelunternehmen, das von einem Arbeitslosen gegründet wurde, der für diese Existenzgründung eine finanzielle Unterstützung von der Agentur für Arbeit erhielt. Der Begriff wurde von den Autoren des Hartz-Konzeptes geprägt, ist jedoch nicht amtlich. Das Konzept der Ich-AG trat mit dem Gesetzespaket „Hartz II“ am 1. Januar 2003 in Kraft. Sie war ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik. Mit ihr sollten Arbeitslosen der Einstieg in die Selbstständigkeit erleichtert werden. Am 1. August 2006, wurde die Maßnahme durch den so genannten Gründungszuschuss abgelöst; anstatt zwei Jahre finanzieller Unterstützung, wird nun neun Monate das Arbeitslosengeld weiter bezahlt plus 300 Euro für die Sozialversicherungen. Das Geld reicht für Mutige, die kaum laufende Kosten haben. Herr Schulze geht den richtigen Weg. Er eröffnet ein Callcenter unter freiem Himmel. Die Telekom hat ihm zwei Telefonstelen zur Verfügung gestellt. So kann er die Kosten erst einmal einsparen und er hat direkten Kundenkontakt.  
 

2009   Kiezdating bei Ernst

In einer Weddinger Urkneipe haben die Zuschauer genau vier Minuten Zeit um ihrem Gegenüber Fragen zu stellen. Kurz stellen die Schauspieler sich in ihrer Rolle vor. 
Ich bin Jean und komme aus Kamerun. Seit 10 Jahren bin ich schon in Deutschland. Lioba Reckfort führte Interviews mit Kiezbewohnern durch, um ihre Lebensgeschichte zu erfahren. Die Schauspieler erzählen nun diese Geschichten als seien es ihre eigenen. Nicht nur ein Afrikaner kommt zu Wort, auch die Frau Kapinski, die im Wedding den zweiten Weltkrieg noch miterlebte und eine türkische Frau, die vor 15 Jahren in den Kiez geheiratet wurde und hier ihre Kinder groß zieht. Vor drei Jahren bekam sie endlich die Möglichkeit deutsch zu lernen. Hat sie deutsche Freunde. Nein leider nicht.
 

Die Ostmarktanten kommen!

Ulf, der Trödler: Ceyhan Genc
Heike, seine Gehilfin: Manuela Hoffmann
Lotte: Daniela Lachmund
Waldtraut: Kerstin Post
 

Die Glücklichen Arbeitslosen

Dieter: Fabian Wörner
Rolf:  Borys Ponew
Glückliche Arbeitslose: Anna Myra Haecken
Praktikant: Raimi Niederhausen
 

Das erste Freiluft-Callcenter

Geschäftsführer Schulze:  Reinmar Schott
Praktikantin Frau Rose: Jenny Bode
Frau Wrangler: Tania Broschei
Allesverleiher: Ceyhan Genç
 

Kiezdating bei Ernst

 
KiezdatingAngel: Lioba Reckfort und Kai Richter
Es erzählen: Tania Broschei, Boris Ponew, Fabian Wörner, Reinmar Schott, Jenny Bode, Raimi Niederhausen
Es singen: Anna Myra Haecken, Ceyhan Genc, Daniela Lachmund, Lioba Reckfort
Es trommeln: Bobby Obasuyi, Garri Bröckel, Andrea Kelm, Josef Baldauf, Stefan Theis
 
Regisseurin und Autorin: Lioba Reckfort
 
Wir bedanken uns ganz besonders bei den Geschäftsführern der Bäckerei Nazar, und des Entrümpelungs- & Umzugsservices CANER sowie bei unserem unvergleichlichen Ernst vom Nachtschwärmer bei Ernst, dass sie uns die Möglichkeiten gegeben haben, bei sich auf unkomplizierte Weise Theater zu spielen. Ebenfalls bedanken wir uns herzlich beim SprengelHaus, die uns bei unserer Arbeit sehr unterstützt haben.
 
Finanziert und gefördert wurde das Projekt durch das QM-Sparrplatz: